AUSEINANDERGELEBT

 

Die Tür fiel ins Schloss.

Stille.

Weg war er.

Ein Wort hatte das andere gegeben. Es war laut geworden. Er war abgehauen.

Resigniert ließ sie sich zu Boden sinken. Saß da, das Bett im Rücken. Links den Werkzeugkoffer, rechts den halb zerlegten Schrank.

Vor Wochen hatte sie das erste Mal gespürt, dass sich etwas verändert hatte. Sie sich voneinander entfernt hatten. Es war gar nichts richtig fassbares.

 

Ein verkrampftes Gespräch über Nichtigkeiten. Sie fühlte sich unsicher. Er wirkte unruhig. So richtig hatten sie sich nichts zu sagen. Und als er wegmusste, war sie irgendwie erleichtert.

So fühlt sich das also an. Dieses „Auseinandergelebt“, von dem man so oft hört.

Sie hatten weitergemacht. Termine, Verabredungen, Einladungen, die Jobs, ihr Hobby, sein Sport, ihre Freundinnen.

Immer wieder spürte sie es. Es ist nicht mehr wie früher.
Wir leben nebeneinanderher.

Darüber sprechen?

Aber wie?

Er sagte ja auch nichts.

Später vielleicht.

Dann kam der Schrank.

Ein einfaches gemeinsames Aufbauprojekt. So etwas hatten sie immer gerne zusammen gemacht. Doch diesmal war es anders. Ein Streit, über Kleinigkeiten, ein Wort gab das andere. Es wurde laut und immer lauter.

Dann: „Wozu noch den Schrank aufbauen? Das mit uns hat doch sowieso keinen Sinn mehr.“ Er knallte die Tür. Er war weg. Und sie saß da. Zwischen Werkzeugkasten und halb aufgebautem Schrank.

Hatte es keinen Sinn mehr? War es vorbei? War der blöde Kleiderschrank etwa der berühmte letzte Tropfen?

Sie spielte mit herumliegenden Schrauben und Muttern.

Das beruhigte sie. Immerzu musste sie irgendwas zum Friemeln haben. Ihn nervte es. Dabei fand er diese kleine Eigenart früher immer ganz süß.

Nein, sie wollte das nicht. Sie wollte nicht aufgeben. Ihn verlieren. Alles hinter sich lassen. Sie wollte sich nicht wieder auf die Suche machen. Nur um nach einigen Jahren wieder an demselben Punkt zu stehen.

Ja, sie waren unterschiedlich. Hatten sich jeder entwickelt. Und dabei auseinandergelebt. Sie waren verschiedener als noch vor Jahren.

Sie schraubte eine Schraube und eine Mutter ineinander. Das Gewinde hakte. Aber es ging. Mutter und Schraube, so unterschiedlich und doch verbunden.

Vielleicht war es bei ihnen genauso? Das Gewinde hakte.

Sie hatten sich verändert und passten nicht mehr so recht zusammen. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät. Sie brauchten nur wieder mehr Gemeinsamkeiten. Ein Gewinde, in das sie sich zueinander drehen konnten. Eine gemeinsame Spur, in die sich beide eindrehen konnten. Etwas, das sie verband.

Da kam er zurück ins Schlafzimmer. Unbewegt war sein Gesicht. Starr und versteinert sah er sie an.

Sie streckte ihm die Hand hin.

Er kam zu ihr, setzte sich. Nahm ihre Hand. „Es tut mir leid. Ich möchte das so nicht. Aber was verbindet uns noch? Du bist so anders geworden.“

Ihre Augen blickten dunkel und ernst: „Du auch. Du bist auch anders geworden. Mir tut es auch leid. Ich will so nicht weitermachen.“

Er nahm ihr Schraube und Mutter aus der Hand. Schraubte sie auseineinander und wieder ineinander. Wie sie vorhin auch. Und hörte zu, als sie ihm von ihren Gedanken erzählte.

Dass es nicht darum ging, gleich zu sein. Dass es bei ihnen ein wenig ist wie mit der Schraube und der Mutter. Dass es vielleicht nur darum ging, den Staub von ihrem gemeinsamen Gewinde zu blasen. Vielleicht die ein oder andere Spur neu zu fräsen. Und sich wieder aneinander anzunähern. Sie wünschte sich ihn. Ein Gegenstück, jemand, der anders war und mit dem sie sich verbunden fühlen konnte. Auch, wenn das Gewinde im Moment eingerostet und nicht ganz passend schien.

Sein Gesicht war nicht mehr starr. Er lächelte. „Ein schönes Bild.“ Sein Kopf rückte näher. „Süß, dass du immer an irgendwas rumfriemeln musst. Und manchmal verflixt sinnvoll.“

Eine Weisheitsgeschichte von Nicole Alps,